Lossau, Jens; Schumacher, Jens - Der Orksammler by Jens Lossau;Jens Schumacher

Lossau, Jens; Schumacher, Jens - Der Orksammler by Jens Lossau;Jens Schumacher

Autor:Jens Lossau;Jens Schumacher [Schumacher, Jens Lossau;Jens]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: babylon
veröffentlicht: 2012-07-04T16:00:00+00:00


17

»Und wie ist es nun genau zu diesen scheußlichen Verbrennungen gekommen?«, fragte Meister Kotkopp zum zehnten Mal.

Jorge seufzte.

Natürlich hieß Meister Kotkopp nicht wirklich Meister Kotkopp. Aber jeder im Klinikum des Heiligen St. Ruktem nannte ihn so. Es wurde offenbar nicht als Beleidigung verstanden, zumindest störte sich der Betroffene selbst nicht an der derben Titulierung. Jorge fand die Bezeichnung ein wenig respektlos. Er selbst hätte jedem, der ihn »Meister Kotkopp« nannte, die Fresse poliert, und zwar aufs Deftigste. Aber Meister Kotkopp sah das offenbar anders.

Meister Kotkopp war klein und drahtig, ein Mann in den besten Jahren. Das schwarze Haar trug er kurz, in der Mitte gescheitelt. Wie alle thaumaturgischen Heiler, die Jorge bisher getroffen hatte, war er mit einem wallenden weißen Kittel bekleidet.

Sein Sprechzimmer, in dem sie sich befanden, war ebenfalls in blendendem Weiß gehalten. An den gefliesten Wänden, hinter einem Schreibtisch voll uralter, zusammengerollter Pergamente, gab es lange Borde mit medizinischen Fachbüchern, blitzblanken Tiegeln, Reagenzgläsern und wissenschaftlichen Gerätschaften. Darunter hingen zu Bündeln geschnürte Kräuter. Die Luft roch nach Arzneien. Und nach Schmerzen, fand Jorge.

»Hör mal, Heiler … du bist doch ein richtiger Heiler, oder?«

Meister Kotkopp wuchs hinter seinem Schreibtisch einige Fingerbreit in die Höhe. »Medizinisch-thaumaturgischer Heiler der vierten Stufe!«

»Schon in Ordnung.« Jorge winkte ab. »Wie konnte es dich dann an einen so trostlosen Ort wie Torrlem verschlagen, bei Batardos?«

War Meister Kotkopp eben noch gewachsen, so schien er nun wieder in sich zusammenzusacken. Er seufzte. »Ach, das wollen Sie gar nicht hören, Agent Jorge!«

Jorge nickte. So erschlagen, wie er war, wollte er es vielleicht wirklich nicht hören.

Nachdem sich der dämliche Agdeman draußen auf den Aschehalden selbst in Brand gesteckt hatte, hatte Jorge ihn kurzerhand auf seine Schulter geladen (ein nicht eben einfaches Unterfangen, denn Agdeman war unförmig und schwer, und er roch nach angebranntem Krügerschwein) und sich auf den Weg zurück zum Feuchten Dreier gemacht, wo er den Idioten aufgegabelt hatte. Dabei hatte er sich allerdings verlaufen und war stundenlang in den aschegepuderten Straßen umhergeirrt. Schließlich hatte er einen Passanten befragt, ob es in der Nähe so etwas wie ein Klinikum gäbe. Der Mann hatte ihm den Weg gewiesen, und nach zahllosen weiteren Straßenbiegungen und Abzweigungen war er am Ziel: Vor ihm erhob sich ein weiß leuchtender Diamant inmitten des ewigen Graus, so sauber, als hätten Kolonnen von Arbeitern die Fassade extra für Jorge blank gewienert. Das Gebäude war u-förmig angelegt, hinter den endlosen, bläulich schimmernden Fensterreihen mussten sich unzählige Zimmer verbergen. Jorge fragte sich, wozu man in Torrlem ein so riesiges Klinikum benötigte. Als er darüber nachdachte, wurde ihm klar, dass in der Grabstadt möglicherweise weitaus mehr Leute lebten, als er bisher zu Gesicht bekommen hatte. Torrlem war wie eine riesige Fabrik – eine Fabrik, die tagaus, tagein dasselbe Produkt herstellte: Asche.

Am Haupteingang gab es eine Art Rezeptionstresen. Eine weiß gekleidete Frau mittleren Alters mit einem brünetten Dutt saß dort und schrieb etwas in eine Akte. Sie blickte erst auf, als Jorge direkt vor ihr stand.

»Bei Ubalthes!«, stieß sie hervor, als ihr Bück auf seine verkohlte Fracht fiel.

Jorge ließ Agdeman zu Boden sinken.



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